Suchterkrankungen: Was ist Sucht? Wie kannst Du helfen?
Suchterkrankungen: Was ist Sucht? Wie kannst Du helfen?
12 Millionen Menschen in Deutschland rauchen, 1,6 Millionen sind alkohol-, rund 2,3 Millionen medikamentenabhängig, rund 600.000 Menschen konsumieren Cannabis oder andere illegale Drogen, rund 500.000 weisen ein problematisches Glücksspielverhalten auf, etwa 560.000 nutzen das Internet exzessiv … So die aktuellen Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums (Stand: August 2020). Und das sind „nur“ all die Drogen, die die meisten von uns vermutlich als „tendenziell böse“ betrachten und an die wir zuallererst denken. Hinzu kommen noch Kaufsucht, Sportsucht, Arbeitssucht und Magersucht, um nur einige zu nennen. All diese Verhaltensmuster und Suchtmittel aktivieren Botenstoffe im Gehirn, die glücklich, aber leider irgendwann auch abhängig und somit krank machen können – doch Glücksgefühle als Antrieb können eben ganz schön mächtig sein …
Was ist eine Sucht?
Sucht bezeichnet die psychische oder physische Abhängigkeit von einer Substanz oder einem Verhalten und entsteht, weil das Mittel bzw. Verhalten auf das Belohnungszentrum wirkt und positive Gefühle auslöst. Eines der deutlichsten Symptome für Sucht ist, dass sich der oder die Betroffene an das Rauschmittel oder Verhalten gewöhnt. Der Körper reagiert auf die regelmäßige Einnahme zum Beispiel von Alkohol damit, dass er lernt, den Alkohol schneller abzubauen, er kann also eine größere Menge des Suchtmittels vertragen. Um immer dieselbe positive Wirkung im Gehirn zu erzielen, muss der oder die Abhängige daher immer größere Mengen des Suchtmittels „konsumieren“.
- Stoffgebundene Süchte: Dazu zählen unter anderem Alkoholismus, Medikamentensucht, Drogensucht, Essstörungen und Nikotinsucht.
- Nicht stoffgebundene Süchte: zum Beispiel Spielsucht, Fernsehsucht, Kaufsucht, Arbeits- oder auch Diese Verhaltenssüchte können zu vergleichbaren Erscheinungen führen wie bei der Einnahme einer Droge, rufen aber keine körperliche Abhängigkeit hervor.
Wer ist suchtgefährdet?
Jeder von uns kann von etwas abhängig werden. Manch einer bezeichnet ja schon die Tasse Kaffee als Sucht, die einem jeden Morgen hilft, aus dem Bett zu kommen. Jeder Mensch habe genetisch gute und schlechte Karten, erklärt Suchtexpertin Dr. Monika Vogelsang, entscheidend ist, was er oder sie daraus macht. Jedoch können psychische Belastungen wie Stress, ein schwaches Selbstbewusstsein oder Traumata dazu beitragen, dass sich ein Suchtverhalten überhaupt entwickelt.
Wie erkennt man Sucht?
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) nennt sechs Anzeichen, die auf eine Sucht hindeuten können:
- Starkes Verlangen: der Wunsch oder Zwang, etwas immer wieder zu konsumieren, auch wenn noch keine körperliche Abhängigkeit vorhanden ist.
- Kontrollverlust: Es besteht keine Kontrolle über Menge und Dauer der Einnahme/des Verhaltens.
- Abstinenzunfähigkeit: Ein Verzicht auf die Droge/das Verhalten ist nicht möglich, auch wenn schon gesundheitliche und/oder soziale Problem erkennbar sind.
- Toleranzbildung: Der Körper hat sich an die Droge/das Verhalten gewöhnt und braucht „den regelmäßigen Kick“.
- Entzugserscheinungen bei Substanzabhängigkeit: unter anderem schwitzen, zittern, Schlafstörungen, Halluzinationen; bei Verhaltenssüchten: Nervosität und Aggressivität.
- Rückzug aus dem Sozialleben
Das Fatale, wie man an den eben genannten Anzeichen sehen kann: Neben der körperlichen und psychischen Abhängigkeit verändert die Sucht auch das Wesen eines Menschen: Er wird gereizter, aggressiver, unruhiger und ändert seine Stimmungen im Minutentakt. Das wiederum wirkt sich auf das soziale Umfeld aus, ebenfalls ein wichtiger Bestandteil unserer aller Gesundheit, und betrifft schließlich nicht nur den Abhängigen oder die Abhängige selbst, sondern meist all die Menschen, die diese Person lieben, die mit ihr zusammenleben oder zusammenarbeiten. Eine Belastungsprobe, in der Familie und im Kollegenkreis, der nicht alle standhalten können. Die Konsequenz: Viele ziehen sich zurück und meiden den Kontakt mit dem bzw. der Suchtkranken.
Aber so einfach ist es nicht zu erkennen, ob jemand tatsächlich süchtig ist oder nicht. Denn nur weil jemand gerne Sport treibt, sich in seinen Job reinhängt, regelmäßig die Wochenenden mit Binge-Watching verbringt oder sein Feierabendbier genießt, ist er oder sie nicht gleich suchtgefährdet. Dennoch: Verändert sich ein*e Freund*in oder jemand aus Deinem Familien- und Kollegenkreis: Augen auf, beobachten und nicht wegsehen!
Wie entwickelt sich eine Sucht?
Die Sucht kommt nicht von jetzt auf gleich. Starke Drogen wie Heroin können zwar rasend schnell abhängig machen, meist schreitet eine Abhängigkeit aber eher langsam voran. Als „klassische Verhaltensweisen“ eines Süchtigen gelten Desinteresse, Stimmungsschwankungen, Gleichgültigkeit, eine Beschönigung des Konsums oder Heimlichtuerei. Aber mal ehrlich, irgendwie trifft das auf jeden von uns mal zu, ebenso wie Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen oder Unzufriedenheit. Schon etwas eindeutiger sind die physischen Symptome, die auftreten, wenn die Sucht schon die Oberhand gewonnen hat:
- Krampfanfälle
- Herzrasen
- Frieren
- Schweißausbrüche
- Gereiztheit
- Unruhe
- Übelkeit
- Appetitmangel
- Gewichtsverlust
- Neurologische Ausfälle wie Zittern und Gleichgewichtsstörungen
Doch auch hier gilt: wachsam sein! Wer diese Symptome bei Freunden, in der Familie oder im Kollegenkreis regelmäßig und gehäuft beobachtet, sollte sich Rat und Informationen holen.
Hilfe anbieten – ohne Vorwürfe und erhobenen Zeigefinger
Eine Sucht kann jeden von uns treffen. Sie ist keine Charakterschwäche, sondern eine anerkannte Krankheit, die man mit professioneller Hilfe behandeln kann.
Wenn Du glaubst, ein Familienmitglied oder ein*e Freund*in sei suchtkrank, können folgende Tipps helfen:
- Ihr seid befreundet: Erklär, was Dir aufgefallen ist, was Du nicht verstehst, warum und dass Du Dir Sorgen machst. Frag, was los ist, was die Person gerade belastet. Biete Deine Hilfe und „Dein Ohr“ an, immer wieder.
- Ihr seid Kolleg*innen: In diesem Fall liegt der Schwerpunkt auf der Arbeitsbeziehung. Sprich das Betriebsklima an, eventuell auch, dass es bereits einen „Flurfunk“ gibt, dass die Qualität der Arbeit leidet und auch andere Kolleg*innen dadurch betroffen sein könnten.
- Wichtig: Sprich allein mit der Person, nicht zwischen Tür und Angel und nicht von oben herab!
- Rede nicht um den heißen Brei herum, sondern komm schnell zur Sache.
- Nutze Ich-Botschaften: „Ich mach mir Sorgen, weil …“, „Mir ist wichtig, dass …“, „Ich möchte Dir/Ihnen gerne helfen …“, um Kritik und Vorwürfe zu vermeiden.
- No-Gos sind medizinische Ratschläge, Vorwürfe und Belehrungen.
Die Reaktionen der Betroffenen können natürlich sehr unterschiedlich sein, von abstreitend über selbstbemitleidend bis zornig. Mach Dich darauf gefasst. Und auch wenn ihr nicht sofort ins Gespräch kommt, sich Dein Gegenüber Dir nicht anvertraut, bleib dran.
Übrigens: Allein durchstehen muss das keiner. Die betrieblichen Suchtbeauftragten bei Transgourmet stehen Dir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Egal, ob Du selbst Hilfe benötigst oder jemanden kennst, der betroffen sein könnte: Die betrieblichen Suchtbeauftragten geben Dir notwendige Informationen zum Thema Suchterkrankungen, helfen Dir dabei, Gespräche mit Betroffenen vorzubereiten, oder führen diese selbst. Und ganz klar: Das Ganze ist selbstverständlich anonym!
Suchterkrankung: Ein Anruf genügt
- IAS-Expertenhilfe: 0800 300 30 44,
anonym, Mo.–Fr. 8–17 Uhr (Anrufe aus dem dt. Festnetz und dt. Mobilfunknetz sind gebührenfrei) - Bundesweite Sucht-&-Drogen-Hotline: 01806 313031,
anonym, rund um die Uhr (0,20 €/Anruf aus dem Festnetz, max. 0,60 €/Anruf aus dem Mobilfunknetz)
Sucht vorbeugen
Süchte schleichen sich oft heimlich an und nicht immer gelingt es, sich selbst und andere davor zu schützen. Doch ein paar Dinge gibt es dennoch, die Du beachten kannst:
- Achtsamkeit ist hier das Schlagwort: Pass auf Dich und Dein Seelenleben auf. Stressabbau durch (gemäßigten) Sport, regelmäßige Entspannung(sübungen), schöne Erlebnisse (zum Beispiel eine Wanderung) und ein gutes soziales Umfeld sorgen dafür, dass Du ausgeglichen bist und keine „Droge“ brauchst, um glücklich zu sein.
- Sei wachsam, auch bei Dir selbst: Gegen ein gelegentliches Glas Wein oder Bier ist nichts einzuwenden, zur Routine sollte es aber nicht werden: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt gesunden Frauen nicht mehr als 10 g Alkohol und gesunden Männern nicht mehr als 20 g Alkohol pro Tag zu sich zu nehmen. 10 g stecken bereits in einem 1 Glas Bier (250 ml), 1 Glas Wein (125 ml) oder 1 Gläschen Weinbrand (30 ml).
- Spricht Dich jemand auf Dein Konsumverhalten an, nimm es ernst!
- Merkst Du selbst, dass Dein Verhalten beim Shoppen, Spielen oder Essen außer Kontrolle gerät, scheu Dich nicht davor, Hilfe zu suchen.
Es gibt viele Formen von Sucht und nicht alles, was man gerne, regelmäßig und manchmal exzessiv betreibt, ist gleich gefährlich. Wird aber der „Kick“ zum Zwang, sollte man aufpassen und hellhörig werden. Die Augen zu verschließen, vor den eigenen oder auch vor den Problemen anderer, ist keine Option. Denn auch wenn man vielleicht selbst nicht weiterweiß oder weiterhelfen kann, gibt es immer einen Weg …