Bitter ist zwar gewöhnungsbedürftig, doch natürliche Bitterstoffe haben eine positive Wirkung auf Magen, Galle, unsere Lunge und sogar auf unsere Haut.
Gesunde Bitterstoffe
Sie regen die Galle und die Verdauung an, helfen dabei, den Appetit auf Süßes zu reduzieren, und wirken entzündungshemmend und antibakteriell. Genießbare Bitterstoffe sind gesund. Da aber viele Menschen den bitteren Geschmack nicht so sehr mögen, züchtete man die Bitterstoffe aus vielen Gemüsesorten einfach weg, was die Pflanzen wehrloser gegenüber Fressfeinden und uns um eine Geschmacksrichtung ärmer gemacht hat, denn bitter zählt mit süß, salzig, sauer und umami zu den fünf Geschmacksrichtungen. Das japanische Wort „umami“ bezeichnet die fünfte Geschmacksrichtung und bedeutet in etwa „köstlich“ oder „wohlschmeckend“.
Was sind Bitterstoffe?
Bitterstoffe sind sekundäre Pflanzenstoffe, die – wie der Name schon verspricht – bitter schmecken. Zugleich ist der Begriff „Bitterstoffe“ ein Oberbegriff für verschiedene chemische Verbindungen, die in unterschiedlichen Pflanzen vorkommen. Cynarin zum Beispiel steckt in Artischocken, Quercetin in Brokkoli oder Lactucin in Eisbergsalat. Pflanzen nutzen Bitterstoffe, um Fressfeinde zu verscheuchen, denn wie wir Menschen verziehen (vermutlich) auch Tiere ihre Mundwinkel, wenn sie Bitteres schmecken, und lassen dann davon ab. Das ist auch gut so, denn nicht alles, was bitter schmeckt, ist auch gesund. Schmecken Zucchini, Kürbisse oder Gurken bitter, dann solltest Du die Finger davon lassen! Der bittere Geschmack weist auf eine hohe Cucurbaticin-Konzentration hin. Cucurbaticin ist ein Bitterstoff, der jedoch giftig ist. Kleinere Mengen sorgen für Brechreiz, Durchfall und Magenverstimmung, größere Mengen können sogar tödlich sein. Doch da Zucchini, Kürbis und Gurke generell sehr mild und eher „neutral“ schmecken, merkst Du sofort, wenn etwas nicht stimmt. Und dann: weg damit!
Genießbare Bitterstoffe, wie sie (normalerweise) in Chicorée, Endiviensalat oder Radicchio stecken, haben aber einen positiven Einfluss auf unsere Verdauung. Lactucopricin (Intybin), ein Bitterstoff, der in Chicorée und Endiviensalat zu finden ist, regt zum Beispiel die Magentätigkeit an, fördert die Produktion von Magensäure und verbessert den Gallenfluss, was wiederum gut für die Fettverdauung ist.
Hereingeschlichen!
Dass wir den Geschmack „bitter“ oft als eher unangenehm empfinden, liegt vermutlich auch daran, dass heutzutage viele Lebensmittel mehr oder weniger stark gesüßt sind (und das betrifft nicht nur ohnehin süße Produkte wie Desserts, sondern auch Brot, Senf etc.), wodurch uns Bitteres oft noch bitterer erscheint. Spannend ist aber, dass wir uns an den Geschmack „bitter“ Schritt für Schritt (wieder) gewöhnen können (sogenanntes einschleichen). Je öfter wir Bitteres essen, desto mehr empfinden wir den Geschmack als gut. Das ist der sogenannte Mere-Exposure-Effekt (Effekt der Darbietungshäufigkeit): Je häufiger man einen Reiz präsentiert, desto positiver die Reaktion. Und das gilt nicht nur für Speisen, sondern auch für visuelle, auditive und olfaktorische Reize (etwa ein Gesicht, eine Melodie, einen Duft). An viele Bitterstoffe haben wir uns sogar gewöhnt und im ersten Moment würden wir sie wahrscheinlich gar nicht mit etwas „Unangenehmem“ verbinden, im Gegenteil, denk mal an Kaffee, Schokolade mit einem hohen Kakaoanteil, Grüntee oder Bier.
Worin sind natürliche Bitterstoffe enthalten?
Bitterstoffe stecken vor allem in den schon erwähnten Salaten (Chicorée, Rucola, Endivie, Radicchio), in Kohl wie zum Beispiel Grünkohl und Rosenkohl oder in grünen Gemüsen wie Mangold und Spinat. Am besten beim nächsten Einkauf mal über den Wochenmarkt streifen und bei den Bäuerinnen und Bauern vor Ort nachfragen, welche ihrer Sorten noch am „ursprünglichsten“ schmecken. Auch in Kräutern wie Minze, Estragon, Thymian, Löwenzahn, Brennnessel oder Giersch finden sich Bitterstoffe, in frischen Artischocken, Fenchel, Sellerie, Ingwer und Auberginen, in Gewürzen wie Kurkuma, Liebstöckel, Koriander, Oregano, Muskatnuss oder Zimt und in Zitrusfrüchten wie Grapefruits, Zitronen, Kumquats und Pomelos.
Bitterstoffe und ihre gesundheitliche Wirkung
Am besten erforscht sind die positiven Wirkungen der Bitterstoffe auf unser Verdauungssystem. Bitterstoffe …
- … regen die Verdauung an, unterstützen die Gallen- und Leberfunktionen
- … helfen bei Blähungen, Verstopfung, Völlegefühl
- … regulieren den Appetit und stoppen Heißhunger auf Süßes (siehe unten: „Abnehmen mit Bitterstoffen“)
- … tragen zur Entsäuerung bei
Spannend ist, dass 2010 Forscher:innen von der University of Maryland School of Medicine in Baltimore per Zufall Andockstellen für bittere Substanzen entdeckten, als sie die Rezeptoren der glatten Bronchienmuskulatur unter die Lupe nahmen. Die Bitterstoffrezeptoren sorgten dafür, dass sich die Bronchien erweiterten und somit das Abhusten erleichtert wurde. Daher können Bitterstoffe auch bei Asthma helfen, denn bei Asthma behindert die Kontraktion der Muskeln den Luftstrom. Die Inhalation von Bitterstoffen kann dem entgegenwirken. 2016 fanden Forscher:innen der Universität Freiburg zudem Bitterstoffrezeptoren in der Haut. „Durch die Zuführung von Bitterstoffen wird die Bildung von Lipiden und Schutzproteinen angeregt, der Stoffwechsel der Haut stimuliert und die Hautbarriere gestärkt“, so das Forscherteam (Quelle: Natürliche Bitterstoffe gegen Hautalterung, in: hautnah dermatologie, 5/2016). So sind Bitterstoffe auch eine Art Anti-Aging-Mittel. Und schon schmecken sie besser …
Mit Bitterstoffen abnehmen
Leider sind auch Bitterstoffe kein Wundermittel, um ein paar Pfunde mal eben auf die Schnelle loszuwerden, aber sie können Dich dabei unterstützen, dass Dir der Verzicht (vor allem auf Süßes) ein wenig leichter fällt. Denn Bitterstoffe helfen dabei, die Lust auf Süßes zu stoppen, und sorgen zudem dafür, dass Du weniger isst. „Bitterstoffe docken an den Darmzellen an, die das Hormon GLP-1 produzieren. Das bewirkt im Gehirn: Ich bin satt“, erklärt NDR-Ernährungs-Doc Dr. Matthias Riedl dem SWR. GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1) spielt eine Rolle beim Zuckerstoffwechsel. Es fördert die Abgabe von Insulin, einem Hormon, das den Blutzuckerspiegel senkt, und hemmt gleichzeitig die Freisetzung von Glukagon, das die Zuckerwerte erhöht, indem es den in der Leber gespeicherten Zucker freisetzt. Zudem fördert GLP-1 das Sättigungsgefühl.
Bittertropfen
Lebensmittel mit Bitterstoffen darfst Du gerne mehrmals pro Woche auf Deinen Speiseplan setzen. Zwischendurch kannst Du aber auch mal Bittertropfen testen, die es in Apotheken, Drogerien und Reformhäusern gibt, um Deine Verdauung anzukurbeln oder auch um das so verlockende Stück Kuchen doch beiseitezuschieben. Du tropfst Dir dazu einfach ein paar Tropfen nach dem Essen (zur Verdauung) auf Deine Zunge (gemäß Herstellerangabe) oder genau dann, wenn Du süßen Verlockungen ein Schnippchen schlagen willst.
Tipp: Schau Dir das Etikett der Bittertropfen genau an. Es sollten nur qualitativ hochwertige Auszüge aus Bitterstoffen verarbeitet sein, zum Beispiel Enzian, Rosmarin, Ingwer und Löwenzahn, und die Tropfen sollten am besten weder Zusatzstoffe noch Alkohol noch Zucker enthalten.
Und zum Einstieg in der bittersüße Kocherlebnis haben wir hier noch ein Rezept, bei dem der Chicorée mal nicht in einen Salat verwandelt wird.
Geschmorter Chicorée (4 Portionen)
Zutaten:
ca. 800 g Chicorée (ca. 8 Stauden)
50 g Butter
Salz, Pfeffer
2 Äpfel
Honig (nach Belieben)
Zubereitung:
Die Chicoréestauden putzen, abbrausen, längs halbieren und trocken tupfen.
Die Butter zerlassen. Die Chicoréehälften darin ca. 5 Min. anbräunen, mit Salz und Pfeffer würzen. Die Äpfel schälen, klein würfeln, zum Chicorée geben und ca. 5 Min. mitschmoren lassen. Das Ganze noch mal nachwürzen und nach Belieben etwas Honig darüberträufeln. Sofort servieren.
Lass es Dir (bitter) schmecken!
Quellen:
https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/diabetes/lexikon/glp-1-810471.html
https://link.springer.com/article/10.1007/s15012-016-2250-4
https://www.lungenaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/bitterstoffe-entspannen-die-bronchien/