Wichtige Aufgaben erst mal liegen lassen, aufschieben, das kennen wir alle. Aber ein Dauerzustand sollte die sogenannte Prokrastination nicht werden. Ein paar Tipps.
Das hat doch noch Zeit …
Kennst Du diesen Satz? Ignorierst Du auch gerne mal wichtige Aufgaben? Und machst stattdessen etwas völlig anderes, zum Beispiel die Wohnung putzen? Dann hat sie Dich vielleicht erwischt: die Prokrastination.
Was ist Prokrastination?
Der Begriff „Prokrastination“ kommt aus dem Lateinischen. Das lateinische Substantiv „procrastinatio“ bedeutet so viel wie: Vertagung auf morgen. Und meist wird die Zeit, die man eigentlich für die geplante Aufgabe brauchen würde, mit etwas anderem gefüllt, zum Beispiel mit einer eigentlich eher „entspannenden“ Tätigkeit wie dem Wohnungsputz, Kochen oder Telefonieren. Geht einem dabei dann die eigentliche Aufgabe dennoch so gar nicht aus dem Kopf, sondern sorgt sie im Gegenteil für noch mehr Stress und Unbehagen, dann wird es Zeit, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen.
Bin ich faul?
Auch wenn der Begriff „Prokrastination“ gerne mit dem Wort „Aufschieberitis“ gleichgesetzt wird, so gibt es doch einen Unterschied, wie Prof. Fred Rist, wissenschaftlicher Leiter der Prokrastinationsambulanz (ja, die gibt es wirklich!) an der Universität Münster, gegenüber dem Sender ARD alpha erklärte: „Der Aufschieber kommt zwar in Zeitdruck mit seiner zu erledigenden Tätigkeit, bringt sie aber einigermaßen zu Ende. Derjenige, der massiv prokrastiniert hingegen, erledigt sie mehr schlecht als recht nur auf den allerletzten Drücker.“ Mit Faulheit habe Prokrastination aber nichts zu tun, so Rist. „Jemand, der faul ist, hat nicht viel vor und fühlt sich wohl, wenn er nichts tut.“ Eine Person, die prokrastiniert, fühlt sich während der Zeit, in der sie die Aufgabe vor sich herschiebt, unwohl (siehe unten). Und auch wenn es tatsächlich eine Ambulanz für Prokrastinierer:innen gibt, mit einer Krankheit hat Prokrastination nichts zu tun, sie ist also nicht wie etwa die Depression im Internationalen Register der Krankheiten (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgeführt. Wissenschaftlich betrachtet gilt Prokrastination als „pathologisches Aufschiebeverhalten“, das sowohl schulische, akademische wie auch berufliche Tätigkeiten betreffen kann. Wer jedoch oft etwas aufschiebt, kann dadurch schon „krank werden“, gestresster sein, sich erschöpft fühlen und im schlimmsten Fall sogar häufiger an Depressionen oder Angststörungen leiden. Wenn Du also merkst, dass Du wichtige Aufgaben gerne mal beiseiteschiebst und Dich dieses Verhalten regelmäßig unter Druck setzt und belastet, wird es Zeit gegenzusteuern.
Die ersten „Symptome“:
- Ein zu hoher Anspruch an sich selbst
- Unstrukturierte Planung
- Fehlende Prioritätensetzung
- Unrealistische Ziele (z. B. zu viele Aufgaben in zu wenig Zeit)
- Häufige Ablenkung und viele Unterbrechungen (Ersatzhandlungen)
- Unklare oder fehlende Deadline
7 Tipps gegen Prokrastination
Prokrastination ist nichts, woran Du dauerhaft „leiden“ musst, denn sie gilt als erlerntes Verhalten, das Du mit Geduld und Konsequenz natürlich auch wieder verlernen kannst. Laut den Mitarbeitenden der Prokrastinationsambulanz Münster können ein pünktlicher Arbeitsbeginn, ein Ritual, die exakte Planung von Ort und Arbeitszeit wie auch Teilschritte dabei helfen.
1. Setze Prioritäten!
Was muss als Erstes erledigt werden, was darf tatsächlich noch ein wenig rumdümpeln? Vielleicht hilft Dir dabei auch eine To-do-Liste, auf der Du nach und nach Deine Aufgaben wegstreichst.
2. Störenfriede? Nein danke!
Störenfriede kommen nicht immer „von außen“, aber das Smartphone sollte schon weit genug von Dir entfernt liegen und im besten Fall stummgeschaltet sein, um nicht doch mal „ganz schnell“ eine WhatsApp-Nachricht zu lesen und zu beantworten und sich am Ende auf Instagram bei süßen Hundevideos wiederzufinden. Auch Hunger oder Durst können Dich stören. Tee (siehe Tipp 4), eine hübsche Karaffe mit Wasser, ein paar Nüsse am Schreibtisch können dabei helfen, dass Du keinen Grund hast, gleich wieder aufzustehen. Laut einer Studie der University of California in Irvine dauert es nämlich nach einer Ablenkung rund 30 Minuten, bis wir uns wieder auf eine Aufgabe konzentrieren können.
3. Ein guter Plan …
Stell Dir folgende drei W-Fragen: Wann (eine konkrete Uhrzeit), wo (an einem Ort, an dem Du ausreichend Ruhe hast und Dich wohlfühlst) und wie (wie viel Zeit „darfst“ Du für die Aufgabe benötigen) planst Du Deine Aufgabe. Achtung: Setz Dich hier nicht schon unter Druck! Plane kleinere Teilschritte – und davon am besten noch mal die Hälfte! So vermeidest Du gerade am Anfang Frust, der Dich in alte Muster zurückwerfen könnte.
4. Ein Tässchen Tee gefällig?
Ein Ritual vor Arbeitsbeginn sagt Deinem Gehirn: Nun geht es los! Das kann eine Kanne Tee sein, die Du Dir immer vor dem Arbeitsstart kochst, das kann das Aufräumen Deines Schreibtischs sein, das Sortieren Deiner Unterlagen. Es kann sein, dass Du den Raum lüftest, einen Raumduft versprühst … Erlaubt ist alles, was Dir guttut, Dir Ruhe vermittelt und den Arbeitsbeginn „auf hübsche Weise“ markiert.
5. Setze klare Grenzen!
Und zwar zwischen Arbeit und Freizeit. Wer im Homeoffice arbeitet, kennt sicher das „Problem“: Man lässt sich gerne dazu verleiten, am Tablet zwischen Kochen und Zu-Abend-Essen schnell mal die E-Mails zu checken und zu beantworten, und am Ende arbeitet man „ganz nebenbei“ eine Stunde vor sich hin. Daher: So wie Du den exakten Arbeitsbeginn festlegst, so genau solltest Du auch eine feste Erholungszeit in Deinem Kalender reservieren. Zum einen sorgt dieser „Termin“ dafür, dass Du ein Ziel vor Augen hast, zum anderen kannst Du dann Deine freie Zeit ohne schlechtes Gewissen genießen. Auch Sporttermine, Gassi-geh-Runden oder ein Spaziergang im Park in der Mittagspause kannst und solltest Du getrost in Deinem Kalender notieren.
6. Teile Dich mit!
Druck ist natürlich nicht gut, wenn Du aber engen Freund:innen oder Deiner Familie erzählst, was Du vorhast und welche Aufgaben Du fortan regelmäßig erledigen möchtest, sorgt die Erwartungshaltung der anderen (ob sie nun tatsächlich da ist oder nicht) dafür, nicht so schnell aufzugeben.
7. Belohn Dich!
Klar, Du kannst Dir selbst auf die Schulter klopfen, weil Deine To-do-Liste schrumpft, Du kannst Dich loben und Dich freuen, aber so eine echte Belohnung, die Du Dir vielleicht nicht dauernd gönnen würdest, motiviert doppelt, dranzubleiben und die Aufgabe zu bewältigen. Wie wäre es mit einem Buch, das schon lange auf Deiner Wunschleseliste steht, mit einer Massage, einem Sportutensil (z. B. neue Rennradhandschuhe)?
Es wird immer Aufgaben geben, die man nicht gerne macht (die Steuererklärung etwa), Aufgaben, die man gerne mal liegen lässt („Morgen reicht das doch locker!“), aber wenn Du merkst, dass Dich Dein eigenes Verhalten stresst, Dich unruhig werden lässt, Dich um die Erholung bringt, dann wird es Zeit, dagegen vorzugehen: mit unseren Tipps oder aber mit professioneller Hilfe, und auch das ist immer legitim!
Quellen:
https://karrierebibel.de/prokrastination/