Wer auf TikTok unterwegs ist, dem ist sicher schon der Begriff „Wandpilates“ untergekommen. Mehr über den Trendsport erfährst Du hier.
Ab an die Wand!
Wer an Pilates denkt, denkt ja zunächst mal an ein Ganzkörpertraining auf der Matte, vielleicht mithilfe von Geräten (zum Beispiel mit einem Pilatesball oder Pilatesring), in einigen spezialisierten Studios auch auf dem sogenannten Reformer, einem Trainingsgerät, das ein bisschen an einen Bettrahmen erinnert, in dem ein Schlitten mit Rädern und Schnüren eingebaut wurde und auf dem man die Pilatesübungen ausführt (und das sollte man nur unter professioneller Anleitung machen!). Doch schon länger hört und liest man immer wieder vom sogenannten Wandpilates (Wall Pilates). Und das schauen wir uns jetzt mal genauer an.
Vom Pilates …
Pilates ist, wie schon erwähnt, ein Ganzkörpertraining, das Dehnung, Kräftigung und Atmung verbindet, das für jedes Alter und jedes Trainingslevel geeignet ist und das, richtig ausgeführt, auch ganz schön fordernd sein kann. „Erfunden“ hat es der Deutsche Joseph Hubert Pilates Anfang des 20. Jahrhunderts, damals noch unter dem Namen „Contrology“, da es ihm darum ging, Muskeln und Geist in Einklang zu bringen. Ein besonderer Fokus wird beim Pilates auf die Kräftigung des Rumpfes gelegt (die Körpermitte, beim Pilates „Powerhouse“ genannt), also die tiefen Bauchmuskeln, die Rücken- und Beckenbodenmuskeln (ja, auch bei Männern!). Dieses Powerhouse sollte möglichst während des gesamten Trainings angespannt sein. Und auch die Atmung steht im Mittelpunkt, denn die Bewegungen werden dem eigenen Atemrhythmus angepasst. Ziel beim Pilates ist es nicht, möglichst viele Bewegungen in möglichst kurzer Zeit auszuführen, sondern im Gegenteil: Die Übungen sollen präzise, im eigenen Rhythmus und kontrolliert ausgeführt werden.
… zum Wandpilates
Beim Wandpilates führst Du ganz klassische Pilatesübungen aus, nur eben an der Wand. Der Vorteil: Die Wand stützt Dich und ist zugleich Dein Widerstand. Wichtig: Von „Deiner“ Wand sollte idealerweise nichts runterfallen können (Bilder also besser vorher abnehmen!), außerdem brauchst Du eine Matte und saubere Füße (oder Socken) und Hände, damit Du durch das Training keine „Spuren“ an der Wand hinterlässt. Eigentlich kannst Du an der Wand alle Pilatesübungen machen, die Du sonst auch auf der Matte am Boden machst. Vor allem für Dehnübungen ist das Wandtraining aber geeignet, da Dir die Wand quasi dabei hilft, tiefer in die Dehnung zu gelangen. Beim Wandpilates trainierst Du den ganzen Körper und je nach Übung spezielle Muskelgruppen besonders: So werden zum Beispiel beim Wandsitzen Deine Beine und Gesäßmuskeln stärker beansprucht.
Für wen ist Wandpilates geeignet?
Ob Anfänger:in oder Fortgeschrittene:r, an der Wand trainieren kann jede und jeder. Wer aber zum Beispiel Gleichgewichtsprobleme hat, dem kann die Wand als Bezugspunkt und Stütze dienen, da bei vielen Pilatesübungen auch das Gleichgewicht trainiert wird, was gerade am Anfang eine recht wackelige Angelegenheit sein kann. Oft konzentriert man sich dann mehr darauf, nicht umzufallen, und vergisst dann gerne mal das Powerhouse und die korrekte Ausführung der Übung. Aber genau dafür ist die Wand dann da.
Sechs Wandpilates-Übungen zum Kennenlernen …
Bevor Du startest, solltest Du Dich zunächst einmal richtig an der Wand „ausrichten“, um ein Gefühl für Deinen neuen „Trainingspartner“ zu bekommen. Diese Ausrichtung ist zugleich auch der Einstieg in unsere erste Übung.
Übung 1: Wandsitzen
Stell Dich mit dem Rücken zur Wand. Nun rutscht Du langsam in die Sitzposition nach unten. Setze Deine Füße nach vorn, bis Deine Beine einen 90-Grad-Winkel bilden. Deine Oberschenkel sind nun parallel zum Boden. Deine Hals- und Deine Wirbelsäule sind lang gestreckt (als ob Dich ein Bindfaden noch oben ziehen würde), Dein Kinn ist parallel zum Boden oder es zeigt ganz leicht in Richtung Brustbein. Zwischen Kinn und Brustbein sollte in etwa eine Faust passen. Achte darauf, dass Du Deinen unteren Rücken an die Wand drückst und nicht ins Hohlkreuz fällst. Wenn Du das Powerhouse anspannst, gelingt das meist ganz gut. In dieser Position bleiben oder, wenn Du es etwas schwieriger magst, noch abwechselnd die Fersen anheben und wieder senken. Bleib 20–30 Sekunden in dieser Position und rutsche dann wieder nach oben. Wiederhole das Ganze 2–3 Mal.
Übung 2: Wand-Sit-ups
Leg Deine Matte vor Deine Wand. Leg Dich dann auf die Matte auf den Rücken, Deine Füße zeigen zur Wand. Winkle Deine Beine an (im 90-Grad-Winkel) und stell Deine Füße flach an die Wand. Leg Deine Hände an Deinen Hinterkopf und spann Dein Powerhouse an. Nun hebst Du Deinen Oberkörper langsam und kontrolliert vom Boden ab und senkst ihn wieder. Dein Blick geht beim Anheben schräg nach oben in Richtung Übergang Wand zur Raumdecke. Leg Dich aber beim Absenken nicht vollständig ab, sondern halte die Spannung im Rumpf. Mach 15–20 Wiederholungen (und 2–3 Sätze).
Übung 3: Wandliegestütze
Stell Dich mit ausreichend Abstand vor die Wand, sodass Du stabil stehst und dabei Deine Ellenbogen im rechten Winkel beugen kannst, wenn Du Dich an der Wand abstützt. Es gibt zwei Varianten:
- Wandliegestütze weit (trainiert die Brustmuskulatur): Deine Hände liegen flach auf der Wand, ungefähr auf Schulterhöhe, aber mehr als schulterbreit auseinander. Nun machst Du eine normale Liegestützbewegung, indem Du den Körper zur Wand hin absenkst. Achte darauf, dass Du Deinen Körper gerade hältst und Dein Powerhouse angespannt ist. Mach 10–12 Wiederholungen (2–3 Sätze).
- Wandliegestütze eng (trainiert den Trizeps): Deine Hände liegen wieder flach auf der Wand, ungefähr auf Schulterhöhe, nun aber nur schulterbreit auseinander. Achte darauf, dass Deine Ellenbogen beim Absenken eng am Körper bleiben und nicht nach außen abweichen. Dein Körper ist wieder gerade, Deine Rumpfmuskulatur angespannt. Mach 10–12 Wiederholungen (2–3 Sätze).
Übung 4: Wandbrücke
Platziere Deine Matte vor der Wand und leg Dich mit dem Rücken darauf, Deine Füße zeigen in Richtung der Wand. Stell Deine Füße so an der Wand auf, dass Deine Beine einen 90-Grad-Winkel bilden. Deine Arme liegen ausgestreckt parallel neben Deinem Körper, die Handflächen zeigen nach unten. Hebe nun Dein Gesäß vom Boden ab, sodass Deine Oberschenkel und Dein Oberkörper eine gerade Linie bilden. Deine Gesäß- und Deine Bauchmuskulatur sind dabei angespannt. Halte die Position kurz und senke Dein Gesäß dann langsam wieder ab, ohne es jedoch komplett am Boden abzulegen. Wiederhole das Ganze 10–15 Mal (2–3 Sätze).
Übung 5: Plank an der Wand
Starte in der klassischen Plank-Position, Deine Fußsohlen zeigen in Richtung Wand. Statt auf der Matte stützt Du Deine Füße an der Wand ab. Die Fußsohlen liegen dabei flach auf der Wand auf. Dein Körper ist gerade, Deine Schultern befinden sich über Deinen Handgelenken. Halte diese Position 30 Sekunden (1–3 Sätze).
Variante – Mountain Climber (Achtung: anspruchsvoll!): Geh wie zuvor beschrieben in die Plank-Position mit den Füßen an der Wand. Nun führst Du abwechselnd zuerst das rechte, dann das linke Knie zur Brust, kontrolliert und ohne zu „wackeln“. Mach diese Übung 30 Sekunden (1–3 Sätze).
Übung 6: Standwaage an der Wand
Stell Dich seitlich zur Wand auf, die Wand ist nun an Deiner rechten Körperseite. Deine Beine stehen hüftbreit auseinander. Stütz Dich mit dem rechten angewinkelten Arm in etwa auf Schulterhöhe an der Wand ab. Nun hebst Du Dein linkes Bein vor Dir an, bis Dein Oberschenkel parallel zum Boden ist, und bewegst es von dieser Position aus langsam und kontrolliert nach hinten in die Standwaage, bis Dein Rücken und Bein eine gerade Linie bilden. Parallel dazu streckst Du Deinen linken Arm gerade nach vorn, sodass Dein gesamter Körper eine gerade Linie bildet. Halte diese Position 20 Sekunden und wechsle dann die Seite (1–3 Sätze).
… und sechs Übungen zum Dehnen
Übung 1
Lehn Dich an die Wand an, heb ein Bein an, umfasse das Knie mit beiden Händen, ziehe es so weit wie möglich in Richtung Brustkorb und kreise Deinen Fuß einige Male nach rechts, dann nach links. Wiederhole das Ganze mit dem anderen Bein.
Übung 2
Nun legst Du Deine Arme U-förmig über dem Kopf an die Wand, Deine Handflächen zeigen zur Wand. Drück Dich mit den Armen von der Wand weg, bis Deine Schultern die Wand nicht mehr berühren. Achtung: Je nach Gelenkigkeit geht das mehr oder weniger gut. Ist zum Beispiel eine Seite weniger beweglich oder verspannt, dann reicht es völlig, wenn Du Dich nur ganz, ganz sanft von der Wand wegschiebst. Du sollst keine Schmerzen spüren! Halte diese (leichte) Spannung ein paar Sekunden und geh zurück in die Ausgangsposition. 2–3 Wiederholungen.
Übung 3
Stell Dich seitlich zur Wand auf, die Wand ist rechts von Dir. Stütz Dich mit gestrecktem Arm an der Wand ab und drehe dabei Deine Finger nach hinten. Der Daumen zeigt nach oben. Drück die Hand fest in die Wand hinein. Nun drehst Du vorsichtig Deine Fußspitzen von der Wand weg und drehst den Kopf über die linke Schulter leicht nach hinten, bis Du im Schultergelenk eine leichte Dehnung verspürst. Tief ein- und ausatmen, lösen. Auf der anderen Seite wiederholen.
Übung 4
Stell Dich vor die Wand und stütz Dich mit beiden Händen etwa in Schulterhöhe an der Wand ab. Nun stellst Du Deinen rechten Fuß weit nach hinten, das Bein ist gestreckt. Das vordere Bein ist gebeugt. Halte die Dehnung im hinteren Bein ca. 30 Sekunden, dann wechselst Du die Seite.
Übung 5
Stell Dich mit dem Rücken so vor die Wand, dass Deine Fersen die Wand berühren. Hebe nun beide Arme nach oben, fasse die Hände über dem Kopf und beuge Deinen Oberkörper an der Wand entlang langsam von rechts nach links. So lange wiederholen, wie es Dir guttut.
Übung 6
Lehn Dich mit dem Rücken an die Wand, Deine Füße sind etwa einen Fußbreit von der Wand entfernt. Roll Deinen Oberkörper nun Wirbel für Wirbel bei gestreckten Beinen nach unten. Unten angekommen, federe ein wenig nach, und roll Dich dann langsam wieder Wirbel für Wirbel nach oben. Zum Abschluss rolle mehrmals Deine Schultern nach hinten.